Mit aggressiver Gewaltfreiheit

Film über Paul Watson bei der Ökofilmtour

von Gerold Paul

Tier zu sein in dieser grimmigen Menschenwelt ist wirklich nicht leicht. Auf den dänischen Färöer-Inseln schlachtet man nur so aus Tradition ganze Grindwal-Herden, bis das Meer ein rotes ist. Vor Kanada treiben Robbenschläger ihr ekliges Geschäft, trotz Verbot werden im Nordatlantik mit verbotenen Schleppnetzen ganze Regionen leer- und totgefischt, damit Schweine und Kühe an Land was zum Futtern haben. Mit mehr als tausend Booten ignoriert Japan seit Jahren schon sämtliche Schutzverbote zum Walfang. Von den Haien, denen man aus kulinarischen Gründen bei lebendigem Leibe die Rückenflosse abtrennt, um die wunden Tiere dann ins Meer zurückzustoßen, ganz zu schweigen.

Vieles davon ist schlichtweg illegal, anderes nur sittenwidrig, doch Jahr um Jahr geht das Schlachtfest am Tier von Neuem los. Genau hier greift die Organisation Sea Shepard Conservation Society mit bekennendem Ökoterrorismus selbsthelferisch ein. Tierschützer und Kapitän Paul Watson, einst Greenpeace, hat sie vor mehr als 30 Jahren gegründet. Er fährt mit alten, oft gespendeten Rostlauben über die Meere, spürt mit seinem Genie all die Sünder auf, zerschneidet die Netze, rammt ihre Schiffe, vertreibt sie auch mal mit einer Schreckschuss-Kanone. Aggressive Gewaltfreiheit nennt er das. So eilte er von Tatort zu Tatort, von Erfolg zu Erfolg. Sein Erster Offizier Peter Brown hat die Arbeit der wenig bekannten Truppe und ihres charismatischen Führers 2011 in einem spannenden Dokumentarfilm unter dem Titel „Bekenntnisse eines Ökoterroristen“ festgehalten. Er ist nur selten in Kinos zu sehen. Im Filmmuseum lief der preisverdächtige Streifen am Dienstag innerhalb der Ökofilmtour 2013 im Wettbewerbsprogramm.

Watsons Konzept ist so einfach wie erfolgreich. Entweder nutzt er Gesetze, wo Wilderer sie verletzen, sodass sie sich nirgendwo beschweren können. Oder er sucht die Lücke im Recht, was fast auf das Gleiche hinausläuft. Seine wichtigste Waffe sind nicht Kampfboote wie etwa die „Edward Abbey“, sondern die Sensationsgier der Medien. Wo sie mit an Bord sind, wird der momentan mal wieder von Interpol Gesuchte nicht verhaftet oder rasch wieder freigelassen. Ein Engel scheint seine Aktionen zu begleiten, mutmaßt Peter Brown. Und tatsächlich staunt man, wie sicher er als Einziger an Bord ohne GPS japanische Schleppnetze aufspürt, wie überraschend siegreich doch das Abenteuer mit der norwegischen Marine, die seinen Äppelkahn beschoss, ausging.

„Piraten des 21. Jahrhunderts“ nennt der Dokfilmer die grünen Aktivisten bei ihrem „Dienst am Planeten“. Ökoterroristen wollen sie ja auch sein, Veganer sowieso. Sie geben freiwillig alles zu, fast alles. Sie sagen: Jawohl, wir haben die Presse provoziert bei der Grauwal-Aktion gegen die Indianer an Amerikas Westküste, wir haben beim Abspielen von Wal-Gesängen bei den Färöer-Inseln gemogelt, aber bei all unseren Aktionen sind weder Mensch noch Tier zu Schaden gekommen. „Ist das denn Terrorismus?“ Eine knallharte Sache, aber mit brillanter Leichtigkeit, mit Witz und Effet erzählt. Wie heißt es doch: Was Menschen den Tieren antun, tun sie sich selber an! Auch diese Lesart zum Film ist möglich.

Die Ökos selbst sind alle im Ehrenamt. Sie nehmen für eine Tour unter der echten Piratenflagge ihren Urlaub, bekommen statt einer Heuer viel Abenteuer auf See. Sicher ist auch ein Spiel- und Spaßfaktor dabei. Trotzdem: Wie dieser kanadische Käpt’n mit der geballten Staatsmacht von Kanada oder Japan umgeht und sie mit ihm, ist genauso verwunderlich wie seine Auskünfte zur Struktur und Finanzierung einer kleinen Organisation, die derzeit bei Sydney gleich vier Schiffe durch Spenden auf Kurs hält. Können diese Piraten unter dem Black Jack nun wirklich machen, was sie wollen, oder dürfen sie nur?