Der Unsichtbare vor der Kamera
Menz (MZV/sla) Das Interesse war groß, nahezu jeder Platz im Saal der Regionalwerkstatt in Menz war belegt am Donnerstagabend. Im Rahmen der diesjährigen Ökofilmtour wurde der Film "Deutschlands wilde Wölfe - Wie sie wirklich sind" gezeigt.
Seit etwa zehn Jahren gibt es in hierzulande wieder frei lebende Wölfe, vierzehn Rudel leben in Deutschland. Brandenburg ist das Wolfserwartungsland Nummer eins. Der Biologe und Tierfilmer Sebastian Koerner begleitete die Rückkehr der Wölfe über viele Jahre mit der Kamera in der Lausitz. Mit Unterstützung der Wolfsforscherinnen Gesa Kluth und Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus entstanden erstmalig beeindruckende Aufnahmen von Familienleben und Jagdverhalten der Tiere. Eine strikte Rangordnung, wie sie bei Wölfen in Gehegen beobachtet wurde, ist hier nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die sozialen Bindungen sind eng, die Tiere gehen achtsam und liebevoll miteinander um. Ältere Geschwister, Jährlinge, achten auf die Jüngeren, spielen mit ihnen und erziehen sie mit. Es gibt keine Rangeleien um die Beute, das Rudel frisst gemeinsam.
Einige der Jung-Wölfe wurden mit GPS ausgestattet. Es zeigte, ob und wann und wohin der Nachwuchs abwandert. Dabei stellte sich heraus, dass ein nur zwölf Monate alter Wolf sich auf den Weg nach Osten begab und eine Strecke von 1 500 Kilometern bis nach Weißrussland zurücklegte. Ein anderer, Karl, ging 150 Kilometer weit und kam wieder zurück, machte dann immer wieder Exkursionen, um später ein eigenes Rudel zu gründen. Andere blieben vorerst bei ihrer Familie.
Um das Jagdverhalten wilder Wölfe besser zu zeigen, drehte Koerner auch im Yellowstone-Nationalpark in Nordamerika, wo Wapiti-Hirsche zur Beute gehören. Dort geht die Wolfsmutter allein auf Jagd. Der europäische Wolf jagt vor allem Rehe, aber auch Rot- und Schwarzwild. Die Beutetiere sind meist schwach, krank, alt oder verletzt, so Gesa Kluth von Lupus. Es gebe nur so viele Wölfe wie die Zahl der Beute es zulässt.
So aufschlussreich wie der Film war, so informativ war die anschließende Podiumsdiskussion mit dem Leiter der Naturschutzstation Zippelsförde, Jens Teubner, und Peter Mancke, Leiter des Tierparks Kunsterspring, sowie mit Dorit Eckert und ihrer Tochter Paula, die beide Schäferinnen in Mirow sind. Fragen, Bedenken oder zumindest Stirnrunzeln ob unserer neuen alten Mitbewohner hatten Veterinärmediziner und Nutztierhalter im Gepäck. Ob der Wolf, wenn er so weite Strecken läuft, aus dem Osten die Tollwut mitbringt, war eine Frage. Dem entgegnete Teubner, dass alle in Brandenburg lebenden Wölfe untersucht worden seien, mit negativem Ergebnis. Polen sei flächendeckend immunisiert. Auch die Baltischen Staaten haben Impfschutzprogramme. In Weißrussland werde die Immunisierung von der EU gefördert.
Ein Wolfspaar lebt mit seinen Nachkommen auf einem Territorium von 250 bis 300 Quadratkilometern. Was passiert, wenn alle Flächen besetzt sind? Wölfe verbreiten sich nur dort, wo Beutetiere sind, so Mancke. Außerdem überleben nicht alle. Viele sterben bei Verkehrsunfällen (seit 2000 wurden 26 Wölfe überfahren; es gab sieben illegale Abschüsse, wobei die Dunkelziffer erheblich höher ist). Dazu käme die Staupe, eine Krankheit, mit der die Wölfe zu kämpfen haben. Es sei aus seiner Sicht sinnvoll, sie ebenfalls präventiv zu behandeln.
Vor allem aber sollten die Landwirte unterstützt werden bei vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz ihrer Tiere. Am meisten betroffen unter den Haustieren seien Schafe, getötete Kälber seien Einzelfälle. "Die Zäune sind das A und O", betonten die Schäferinnen aus Mirow, bei denen der Wolf bereits vor dem Zaun stand. Obwohl Mecklenburg-Vorpommern noch keinen Managementplan hat, erhielten sie aus Schwerin Fördermittel für Netze und Schlaggeräte für ihre Schafe. Dazu kamen Herdenschutzhunde - Pyrenäenberghunde, weiß, etwa 70 Kilo schwer und alles andere als aggressiv. Die passen auf. Die wirklich Leid tragenden seien aus ihrer Sicht die Hobby-Tierhalter, deren ungesicherte Zäune wie eine Einladung wirken.
Wer aber nun endlich einmal einen Wolf in unseren Wäldern sehen will, den enttäuschen die Experten. Da der europäische Wolf über Jahrhunderte gejagt wurde, habe er ein ausgezeichnetes Gespür dafür, dem Menschen aus dem Wege zu gehen. Augen, Ohren und Nase sind hochsensibel. Der Blick eines Wolfes gehe direkt in die Seele, heißt es. Aber, so Gesa Kluth im Film, letztlich ist der Wolf ein ganz normaler Teil unserer Natur.