„Gundis“ glückliche Erben

Andreas Dresen über die Band ohne Namen, Gitarrero Axel Prahl und den singenden Baggerfahrer

Vor zwei Jahren rockte die Band schon mal das Finale der Ökofilmtour. Jetzt gibt’s am Mittwoch ein Da Capo. Sänger (und Erfolgsregisseur) Andreas Dresen traf sich vorab zum Gespräch mit Ildiko Röd: über frühe Theaterprägung, Groupies, Eier und öko.

MAZ: Sorry, aber ich weiß nicht, ob mein Aufnahmegerät gerade mitläuft. Ich bin ein Techniktrottel.

Andreas Dresen: Lassen Sie mal sehen. Mit so etwas kenne ich mich aus. Ich habe eine Technikaffinität.

Sie haben ja sogar mal als Tontechniker gearbeitet, oder?

Dresen: Ja, am Theater in Schwerin, als ich die Zeit bis zum Studium überbrücken musste. Ich habe Töne eingespielt, den Schauspielern die Mikrophone angesteckt und konnte immer bei den Endproben dabei sein – das war sehr lehrreich.

Wie kam der Kontakt zum Theater zustande?

Dresen: Ich komme ja aus einer Theaterfamilie. Meine Mutter Barbara Bachmann ist Schauspielerin; mein Vater Adolf Dresen und mein Ziehvater Christoph Schroth – auch Theaterregisseure. Ich bin quasi in Kantinen groß geworden. Christoph Schroth war in den 70er und 80er Jahren, als ich am Theater sozialisiert wurde, Schauspieldirektor in Schwerin. Er machte Theater, das mitten ins Herz der DDR zielte, mit unglaublich aufregenden Inszenierungen: „Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann zum Beispiel oder beide Teile des „Faust“ an einem Abend. Es war toll, an so einem Haus arbeiten und von Christoph lernen zu dürfen. Er hat das Theater echt gerockt.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass Sie danach nicht Theaterregisseur werden wollten.

Dresen: Es war vielleicht auch ein sehr großer Respekt vor der Theaterarbeit, weil ich miterlebt hatte, wie schwierig dieser Prozess ist. Ich hatte das Gefühl, dass die Messlatte sehr hoch liegt. Film bot die Möglichkeit, einen anderen Weg zu gehen und sich etwas Eigenes zu suchen.

Wie sah Ihr „Frühwerk“ aus?

Dresen: Zappelnde Bilder auf Super-8! Ich habe mit einer Schmalfilmkamera angefangen. Als 15-Jähriger machte ich mit zwei Klassenkameraden meinen ersten Film mit einer kleinen Geschichte: eine Satire darüber, dass man in der DDR so schlecht Platz in Gaststätten bekam. Es ging um ein Ehepaar, das nur noch zwei Eier zu Hause hat. Sie wollen ausgehen, kommen aber nirgends rein. Nach einer Odyssee durch die Stadt hauen sie doch die beiden Eier in die Pfanne. Naja...

Apropos Eier. Mit Schauspieler Axel Prahl und anderen Musikenthusiasten haben Sie eine Band gegründet. Nach einem Konzert schrieb ein begeisterter Fan im Internet: „Sie spielten mit so viel Spaß und ,mit Eiern', dass es einfach nur schön war.“ Sind Sie eine Band „mit Eiern“?

Dresen (lacht): Das hoffe ich. Wir sind doch eine Rockband und die muss schon Biss haben – und „Eier“ allemal.

Haben Sie auch Groupies?

Dresen: Naja, es wurden schon Schlüpfer auf die Bühne geworfen. Bei einem Konzert hatten die Veranstalter extra Unterwäsche verteilt, die dann geworfen wurde – was uns natürlich zu Höchstleistungen angespornt hat.

Gibt es eine legendenumwobene Geschichte zur Gründung Ihrer Band?

Dresen: Das war schon ein bisschen kurios. 2008 sollte es ein Konzert geben zum zehnten Todestag von Gerhard Gundermann, dem „singenden Baggerfahrer“. Eine Schauspielerin, Petra Kelling, rief mich an und fragte, ob ich nicht mitmachen wollte. Ich sagte: „Du weißt schon, dass ich eher so Lagerfeuer-Gitarre spiele?“ Sie erzählte, dass Axel auch dabei wäre, und schlug vor, dass wir uns zusammentun. Dann haben wir mit Freunden – meinem Cutter Jörg Hauschild und Jens Quandt, der die Musikberatung bei meinen Filmen gemacht hat – zwei Lieder eingeübt. Irgendwann rief Petra Kelling wieder an und sagte, dass der Auftritt wegen der Nachfrage nun in der ausverkauften Columbiahalle stattfindet. Vor 3000 Leuten!! Ich hatte noch nie so die Hose voll wie an diesem Tag.

Wie ging das Abenteuer aus?

Dresen: Unsere Amateur-Einlage kam gut an. Die musikalische Nicht-Kompetenz haben wir durch Charme wettzumachen versucht. Das ist heute noch so. Wir sind eine Spaßband, treffen uns von Zeit zu Zeit, musizieren und trinken einiges an Bier. Für mich hat die Band etwas Befreiendes. Ich bin ja sonst der Mann im Hintergrund, der alles kontrollieren muss. Hier darf ich selbst mitmachen. Das hat eine großartige Energie. Man kann die Spannungen aus dem Alltag los werden.

Wie wurden Sie überhaupt zum Gitarrero und Sänger?

Dresen: Gitarrespielen hat mir ein Mitschüler beigebracht; ich kann nicht mal Noten lesen. Es ging ja vor allem darum, am Lagerfeuer die Mädchen zu beeindrucken, was schon damals nicht geglückt ist. Die Freude am Spiel war sicher größer als das Können.

Und für welche Musik schlägt Ihr Herz?

Dresen: Ich habe ein großes Herz: Techno und House ist zwar nicht so meine Richtung, aber sonst bin ich ziemlich offen für alles, von Klassik bis Hiphop. Aber der Schwerpunkt liegt sicher auf Rockmusik, auch Liedermachern – das ist so meine Zeit: die Beatles zum Beispiel. Beim Abschlusskonzert der Ökofilmtour spielt unsere Band natürlich Songs von Gundermann, aber auch einige von Axel, die er für seine CD „Blick aufs Mehr“ geschrieben hat.

Verbindet Sie und Axel Prahl das, was man echte Männerfreundschaft nennt?

Dresen: Ja. Wir sind ständig in Kontakt, obwohl Axel eigentlich dauernd dreht. Es macht einfach Spaß mit ihm. Eher hemdsärmelig, mehr Imbiss als Restaurant.

Wo liegen die Wurzeln Ihrer Freundschaft?

Dresen: Wir haben uns kennengelernt, als Axel noch am Gripstheater spielte. Ich besuchte eine Aufführung, „Café Mitte“, weil ich für den Film „Nachtgestalten“ recherchierte. Axel hat mich schwer beeindruckt und in dem Film dann einen Polizeibeamten gespielt. In meiner Produktion „Die Polizistin“ spielte er dann eine Hauptrolle, auch wieder einen Polizisten.

Stimmt es, dass sich der Sender querlegte bei der Besetzung von Axel Prahl?

Dresen: Ja. Es hieß, dass er zu unbekannt sei. Mich ärgert es, dass in Deutschland so vorsichtig besetzt wird. Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Aber wie soll jemand bekannt werden, wenn es nie die Chance auf eine Rolle gibt? Ich hielt an Axel fest und „Die Polizistin“ wurde ein solcher Erfolg, dass mir eine Fortsetzung angeboten wurde. Ich hatte kein Interesse. Aber die beiden Filme waren sicher mit ein Auslöser dafür, dass Axel die Rolle des Tatort-Kommissars angeboten wurde.

Sie waren gerade in der Lausitz, wo Sie für ein neues Projekt gedreht haben. Worum geht es?

Dresen: Ich drehe einen 15-minütigen Film für die ARD für das Dokumentarfilmprojekt „16xDeutschland“, das am 3. Oktober gesendet wird und nach dem Vorbild von „20x Brandenburg“ entsteht. 16 Regisseure porträtieren die 16 Bundesländer. Mein Film über Brandenburg spielt in den Tagebaulandschaften. Ich porträtiere eine junge Frau, die einen „Absetzer“ fährt: eine 50 Meter hohe Maschine zur Rekultivierung der Landschaft, mit der Erde abgeworfen wird. Ich erzähle gerne über Menschen, die zufrieden sind mit dem Platz, an dem sie sind. Außerdem finde ich, dass generell zu wenig über Arbeiter in den Medien gemacht wird. Wenn es in Film und Fernsehen um Arbeit geht, sind die Jobs meist irgendwie glamourös. So wie Journalistin zum Beispiel (lacht).

Ja, das ist super-glamourös. Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, auch mal einen „Öko-Film“ zu drehen?

Dresen: Was soll das denn sein?

Statt öko jetzt die Retro-Frage: Wie es heißt, wollen Sie das Schicksal Ihres Band-Schutzheiligen Gundermann verfilmen. Wäre Axel Prahl ein Kandidat für die Rolle?

Dresen: Ich fürchte, aus dem Alter ist er mittlerweile raus. Gundi ist ja leider mit 43 Jahren viel zu früh gestorben.

Kommt das Projekt überhaupt zustande?

Dresen: Ja, das wird aber noch ein wenig dauern. Es gibt immerhin schon zwei spannende Drehbuchfassungen von Laila Stieler. Als ich jetzt gerade im Tagebau war, habe ich tatsächlich Leute getroffen, die mit Gundi noch gearbeitet haben.

Was fasziniert Sie an dem singenden Baggerfahrer?

Dresen: Er war eine Persönlichkeit, die viel widerspiegelt von der DDR und den Konflikten, in die man sich verstricken konnte. In den 70er Jahren war er bei der Stasi, aus der Hoffnung heraus, den Sozialismus besser zu machen; in den 80er Jahren wurde er selbst bespitzelt. Als Liedermacher lebte er immer zwei Leben: einerseits die Schichten auf dem Bagger; andererseits die Konzerte. Heutzutage pflegt ja jeder so sein Künstlertum. Aber Gundermann war sehr erdverbunden. Die Füße im Schlamm, den Kopf in den Wolken.

Eigentlich war Gundermannn im Braunkohlerevier doch ein Umweltsünder. Widerspricht das nicht Ihrem Öko-Gewissen, über so einen „Anti-Helden“ einen Film zu drehen?

Dresen: Gundi war immer auch ein verkappter Grüner und sehr wach in dieser Hinsicht.

Sie haben vorhin gesagt, dass Gundermann sehr „erdverbunden“ war. Gibt es auch etwas, das Sie neben der Regie erdet?

Dresen: Natürlich die Musik. Und dann habe ich mit zwei Freunden ein altes Segelboot in Caputh, das mittlerweile 40 Jahre alt ist. Wir sind nicht so die Leute, die groß dran rumpusseln, sondern schmeißen es irgendwann einfach ins Wasser. Ich liebe die Seenlandschaft hier, sie erinnert mich an Schwerin. Manchmal übernachte ich auch auf dem Boot.

Sie unterstützen die Ökofilmtour. Sind Sie selber auch „öko“, so mit fanatischem Mülltrennen und Greenpeace?

Dresen: Jegliche Militanz ist mir zuwider. Aber ich trenne Müll und lasse auch nicht dauernd alle Lampen brennen. Es gibt schon Dinge, wo man als Privatmensch die Wahlmöglichkeit hat, etwa nicht immer das Auto zu nehmen, sondern auch den Nahverkehr oder das Rad. Gerade in Potsdam ist das ja sehr gut möglich. Aber ich bin noch nicht zum Veganer geworden – in unserer Band sind wir eher die Wurstfraktion.

Seit fünf Jahren spielen Sie in einer Band ohne Namen. Besteht Aussicht auf Einigung in der Namensfrage?

Dresen: Momentan favorisieren wir „Musikliebhaber“. Oder: „Dresen, Prahl & Bordkapelle“, weil einige unserer Lieder einen maritimen Anstrich haben. Vielleicht stellen wir die Namen ja bei der Abschlussveranstaltung der Ökofilmtour im Hans-Otto-Theater zur Abstimmung. Oder wir bleiben eben die Band ohne Namen. Da hat man so schön viele Möglichkeiten...


info „Dresen, Prahl & Band“ spielen am 17. April ab 19 Uhr beim Finale der Ökofilmtour im Hans-Otto-Theater.