Stirbt das Bäckerhandwerk aus?

3. Ökofilmtour in Strodehne brachte Gaumenfreuden und eine anregende Diskussion

Wenn selbst Lebensmittelchemiker resignieren und gar nicht wissen wollen, was alles drin ist im Brot, sollte uns das zu denken geben. Eine Erkenntnis von vielen des dritten Ökofilmabends in Strodehne.


Von Christin Schmidt

STRODEHNE 1989 lief noch Dirty Dancing im Rhinower Kino, bald darauf wurde das Gebäude dem Erdboden gleich gemacht. Seither sind Filmabende in dem Städtchen Geschichte. In Strodehne dagegen machte am Donnerstagabend bereits zum dritten Mal die Ökofilmtour Station. In 76 Orten holte Deutschlands längstes Filmfestival letztes Jahr Menschen vor die Leinwand, um Umwelt- und Naturfilme einem möglichst breitem Publikum zu zeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei soziale Kernfragen unserer Zeit. Der Verein „Lebendige Zukunft Strodehne“ und die Bürgerinitiative „Gegen das Steinkohlekraftwerk Arneburg“ beschäftigen sich mit solchen Fragen und haben es sich zum Ziel gemacht, für eine gesunde Umwelt einzutreten. Deshalb habe man die Ökofilmtour ins Haveldorf geholt, erklärte Jürgen Rochlitz, der sich in beiden Organisationen tatkräftig engagiert.

Auch die industrielle Fertigung von Lebensmitteln beeinflusst unsere Umwelt. Die Massenproduktion von Backwaren macht da keine Ausnahme, weiß Rochlitz. Deshalb passe auch die Dokumentation „Billige Brötchen – Die Spur der Teiglinge“ hervorragend für einen Filmabend. Wie recht er hatte: Mehr als 100 Interessierte lockte die Veranstaltung in die Gaststube „Stadt Berlin“. Sodass der Saal rappelvoll war als das Licht ausging und Ernst-Alfred Müller, Leiter des Ökofilmfestivals, den Projektor anschmiss und zwischen den roten Vorhängen der altehrwürdigen Bühne die Bilder zum Laufen brachte.

Täglich macht irgendwo in Deutschland eine Bäckerei zu, allein im vergangenen Jahr ging in 1 300 Betrieben der Ofen aus. Zwar schwärmen alle von der Qualität der traditionellen Bäcker, kaufen würden aber viele im Supermarkt, stellt der Journalist und Filmautor Manfred Ladewig in „Billige Brötchen“ fest. Die Konkurrenz der traditionellen Bäcker reicht von der Backstation im Supermarkt über große Ketten bis hin zur einfachen Tankstelle. Sie alle bieten industrielle Massenware. Möglich macht es die Trennung von Teigherstellung und Backvorgang, wie die Dokumentation eindrücklich zeigt. Brote und Brötchen liegen knackig und glänzend im Regal und suggerieren Frische, dabei haben sie teilweise bis zu neun Monate Tiefkühlschlaf hinter sich. Gebacken wird erst, wenn der Kunde die Ware verlangt. So wird der Bäckermeister zum Aufbackmeister.

Natürlich geht das nicht ohne Hilfsmittel, bei der Herstellung wird ordentlich in die Trickkiste gegriffen. Enzyme machen den Teig weich und geben ihm zig andere Eigenschaften, die der kritische Kunde verlangt. Dass die Ware oft lange Wege hinter sich hat – so manches Brötchen und Plunderteil wird in Polen hergestellt – ahnt der Kunde nicht. Auch von den Zusatzstoffen weiß er nichts. Da diese beim Backvorgang angeblich verschwinden, müssen sie auch nicht deklariert werden. Dabei würden nirgends so viele Zusatzstoffe verwendet wie bei der Backmittelherstellung. Doch wer ist Schuld, dass wir Chemiebrötchen essen und das deutsche Bäckerhandwerk stirbt? Der Verbraucher mit seiner „Geiz ist geil“-Einstellung, erklärt in einem Interview einer der Größten der Branche, der mit der industriellen Herstellung von Teigwaren zum Millionär und „Brötchengeber“ für billige Arbeitskräfte in Polen wurde.

Natürlich blieben diese Argumente nicht folgenlos und regten das Strodehner Publikum zu einer teils hitzigen Diskussion an. Neben Manfred Ladewig stellte sich auch Bäckermeister Peter Schulze aus Rhinow den kritischen Fragen. Schulze ist einer vom alten Handwerk und versorgt die Bewohner des Ländchens seit Jahrzehnten mit Brot und Brötchen. Auch er hat es nicht leicht. Dennoch ließ er sich in die Karten schauen, hatte sogar Baguette und Brötchen zum Probieren spendiert. Ob er garantieren könne, dass sein Mehl enzymfrei sei, welches Salz er verwende und warum er kein Biobrot verkaufe, waren nur einige der Fragen. Die Antworten lagen zum Teil auf der Hand. Bio sei zu aufwendig und die Nachfrage zu gering. Eine Garantie für sein Mehl habe er natürlich nicht. Immerhin kauft er bei kleinen Mühlen in der Region.

Politik, Verbraucher, Betriebe - alle müssen wohl etwas tun. Wer den Anfang machen sollte, da war sich das Publikum nicht einig. Filmautor Ladewig riet: „Wir brauchen gar keine Revolution, mit unserem Kaufverhalten können wir revolutionieren.“