Mein Nachbar, der Wolf
Im Lübbenauer Kulturzentrum Gleis 3 folgten über 50 Tierfreunde den Spuren Isegrims
LÜBBENAU Kaum jemand hat ihn je in freier Natur gesehen. Und doch polarisiert er wie kein anderes Tier die Bevölkerung – der Wolf. Im Lübbenauer Kulturzentrum Gleis 3 brachte ein Filmbericht populär-wissenschaftliche Klarheit über die Lebensweise der Raubtiere.



Moderator Michael Hensel (rechts) hatte zum Filmende noch viele Fragen von Marianne Wendland und Wolfgang Seeliger (von links) aus Lübbenau über die Ansiedlung der Wolfsrudel in der Sprewaldregion zu beantworten.
Foto: Bernd Marx/bdx1

Als im Jahre 1844 der letzte Wolf in der Lübbenauer Region geschossen wurde, wurde es lange Zeit sehr ruhig um Isegrim.
Im Jahre 2000 tauchte er erstmals wieder in den Wäldern der Oberlausitz auf. Konkret auf dem Truppenübungsplatz Nochten, wo sich auch das wildbiologische Büro "Lupus" befindet.
Obwohl fast niemand bisher den Wolf in freier Natur zu Gesicht bekam, gehen die Meinungen weit auseinander. Ein Teil der Bevölkerung möchte ihn fest in das Ökosystem der Natur eingebunden sehen. Ein anderer Teil hofft, dass er bald vom Jagdschutz gestrichen wird.
Dem Ruf der "Wölfe" folgten kürzlich über 50 Natur-, Tier- und Heimatfreunde in das Lübbenauer Kulturzentrum Gleis 3.
"Ich möchte hören, was es alles über den Wolf zu berichten gibt", so Gerda Kalkbrenner aus Missen. Das war auch der Tenor der anderen Zuschauer, die mit Spannung und Aufmerksamkeit auf das Lösen der vielen Rätseln über den Isegrim warteten.
Der 45-minütige Dokumentationsfilm von Filmemacher Sebastian Koerner "Deutschlands wilde Wölfe – wie sie wirklich sind" im Rahmen der Ökofilmtour, brachte populär-wissenschaftliche Klarheit über die in Wald und Heide, auf Kippen und an Seen lebenden Tiere.
Mit Unterstützung der beiden Biologinnen Ilka Reinhardt und Gesa Kluth vom Büro "Lupus" verfolgte der Filmemacher über Jahre hinweg den Lebensweg von den Wölfen. Um die Tiere besser einzuordnen und unterscheiden zu können, wurden sie auf Mona, Sunny, Silberblick, Karl und anderer Namen getauft.
Eine Rangordnung und Unterwürfigkeit von Welpen, Jährlingen und älteren Tieren untereinander scheint es nicht zu geben, wie es über Jahrhunderte vermutet wurde. So das bisherige wissenschaftliche Forschungs-Ergebnis über die Zeitdauer von zwölf Jahren.
Der Nachwuchs des ersten Rudels von Nochten hat sich mittlerweile neuen Lebensraum gesucht. So gibt es gegenwärtig Rudel in und um das Seenland in der Oberlausitz, in der Königsbrücker Heide, der Annaburger Heide, Niesky, Hohwald, Dauban, Milkel, Zschorno, Welzow und Spremberg. Die Wolfsrudel von Seese und von Lieberose liegen dem Spreewald am Nächsten.
"Meine Frau und ich haben bei unseren Spaziergängen schon sehr oft die Spuren des Wolfes gesehen", erklärte Wolfgang Seeliger. Angst vor dem Wolf hat das Lübbenauer Ehepaar nicht.
Hobbyfotograf Peter Becker aus Raddusch hat vor wenigen Tagen frische Wolfsfährten im Schnee in der Spreewaldregion fotografieren können.
Dass Wölfe auch dem "Ruf der Wildnis" folgen, macht ein beredtes Beispiel deutlich. Das Bundesamt für Naturschutz hat zahlreiche Wölfe mit einem GPS-Sender-Halsband ausgestattet. Ein Wolf mit diesem Sender funkte seine lokalen Standort-Koordinaten aus dem 1550 Kilometer entfernten Land Weißrussland.
Da Wölfe Rothirsche, Rehe und Nutztiere auf dem Speisezettel haben, gibt es auch Reibungspunkte mit den Jägern und Landwirten. Mit tragischen Folgen für Isegrim. Obwohl die illegalen Abschüsse den Straftatbestand erfüllen, müssen sie immer wieder im Land registriert werden.
Die Filmdokumentation machte deutlich, dass es immer nur so viele Wölfe in der Region geben wird, wie das Angebot an den Beutetieren groß ist. Kranke, verletzte und alte Beutetiere fallen dem Wolf in erster Linie zum Opfer. Ungeschützte Nutztiere aber auch.
Die Rückkehr der Wölfe ist eine Chance für die Mannigfaltigkeit und den Reichtum der Natur. "Und das ist im Interesse aller Menschen", so der Moderator.

Bernd Marx