Frisch auf den Müll

Ökofilmtour informierte in Seebeck über die weltweite Lebensmittelverschwendung

SEEBECK - Nicht zu klein, nicht zu groß, nicht zu krumm, nicht zu blass – makellos sind Kartoffeln, Gurken und Tomaten im Supermarkt. Dahinter steckt eine bittere Wahrheit: Der größere Teil der produzierten Lebensmittel schafft es erst gar nicht ins Regal.

Tonnenweise noch frisches Brot, das im Container landet; ein Supermarktdirektor, der gerade die Vernichtung von 8500 Kilogramm Orangen absegnet; einwandfreies Gemüse im Müll: Es sind drastische Bilder und Szenen, die am Freitagabend im Haus des Gastes in Seebeck etwa 40 Zuschauer erschüttern, aber auch aufrütteln. Das Brandenburgische Festival des Umwelt- und Naturfilms – die Ökofilmtour – hat Halt gemacht. Im Gepäck die Dokumentation „Taste the Waste“, die im vergangenen Jahr auf der Berlinale lief und im Herbst in die Kinos kam.

Heiko Strobel hat ihn aus über 40 Festivalfilmen für Seebeck ausgesucht. Der Hindenberger organisiert und begleitet in seinem Ort seit sechs Jahren ehrenamtlich die Gastspiele der Ökofilmtour. Das Haus des Gastes in Seebeck wollte er 2011 schon als Spielort nutzen, doch die Planung war zu kurzfristig.

„Taste the Waste“ reist in kleinen Interview-Episoden um den Globus. Der Dokumentarfilmer Valentin Thurn stellt einen deutschen Kartoffelbauern vor, der beklagt, dass er die Hälfte seiner Ernte aussortieren muss, obwohl die Ware einwandfrei genießbar ist. Sie scheitert an den ästhetischen Wünschen des Handels und der Kunden.

Da ist auch Véronique, eine sympathische, zupackende Frau aus Kamerun, die in einem Pariser Großmarkt als Hilfsarbeiterin tonnenweise Lebensmittel in den Müll werfen muss. „Es tut mir weh, aber ich habe keine Wahl“, sagt sie. Im Abspann erfahren die Zuschauer, dass sie der Chef inzwischen rausgeworfen hat, weil sie unterschiedliche Ansichten hatten, welche Lebensmittel noch genießbar sind und welche nicht. Die Vorschriften sind nicht nur in Frankreich streng: Auf Joghurt, der demnächst das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht, könnte der Supermarkt möglicherweise sitzen bleiben. Also ab in den Müll damit.

Die zwei jungen Männer, die ganz zu Beginn des Films die Mülltonnen der Wiener Supermarktketten nach Essbarem durchsuchen, sind nicht in Not. Es ist ihr Protest gegen die Lebensmittelverschwendung. 90 Millionen Tonnen genießbare Lebensmittel landen pro Jahr in den Ländern der Europäischen Union im Müll. Mit dem Essen, das in Europa und Nordamerika weggeworfen wird, könnten alle Hungernden der Welt dreimal satt werden. So rechnet es der Film vor.

Unter den Zuschauern in Seebeck ist Gabriela Manthei vom Neuruppiner Arbeitslosenservice „Die Brücke“, der neben mehreren Hilfsprojekten auch die Neuruppiner Tafel betreibt. „Es gibt genug Bürger, die in den Abfallbehältern der Supermärkte nach Essbarem suchen“, sagt Gabriela Manthei. Mit der Lebensmittelausgabe durch die Tafel soll den bedürftigen Familien dieser Schritt erspart bleiben: „Wir versuchen, ihnen ein Stück mehr Menschenwürde zu geben.“

Bis auf die Filialen eines Billigdiscounters kann die Tafel im Ruppiner Raum alle Supermärkte anfahren. Die Verhandlungen darüber führt der Bundesverband der Tafel mit den Konzernen. Durchschnittlich 15 Tonnen Lebensmittel im Monat sammelte die Neuruppiner Tafel 2011. Der Großteil wird sortiert und direkt an die Bedürftigen ausgegeben. Einiges geht aber auch an die Wärme- und Versorgungsstube, wo regelmäßig gekocht wird – mit frischen Zutaten, die sonst im Müll gelandet wären.

Mehr über die Ökofilmtour, das Programm und die Spielstätten gibt es im Internet unter www.oekofilmtour.de (Von Juliane Felsch)