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Wurm am Hintern von Jan Kixmüller
HFF-Studentin Johanna Ickert hat einen Dokumentarfilm über das gescheiterte CCS-Projekt von Vattenfall gedreht
Der Film ist Schwarzweiß – trotz Farbe. Schwarz sind die Vertreter von Vattenfall, die für ihr Vorhaben der unterirdischen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid (CCS-Verfahren) so weit gehen, sogar in Kitas der Lausitz den Weihnachtsmann zu stellen. Das Kohlendioxid (CO2), das die schwarzbraune Kohle bei ihre Verbrennung freisetzt, sei nicht giftig, betonen sie. Weiß hingegen sind die Bürgerbewegten und Umweltaktivisten aus dem Oderbruch und der Lausitz, die von den Plänen betroffen waren. „Energieland“ ist ein Dokumentarfilm über Vattenfalls mittlerweile gescheitertes Vorhaben der unterirdischen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid. Ein Jahr lang hat HFF-Studentin Johanna Ickert dafür die Kontroverse rund um das Thema CCS begleitet und dabei sowohl Vattenfall-Mitarbeiter, Politiker als auch Bürgerrechtler aus Ostbrandenburg in ihrem Alltag beobachtet. „Energieland“ wurde für den „Friedenspreis Friedliche Revolution“ nominiert. Regisseurin Ickert zeigt beide Seiten, doch ihre Haltung ist klar, die Vattenfall-Mitarbeiter überführt sie geschickt durch die Dinge, die sie selbst sagen. Die verängstigten Bürger scheinen die besseren Argumente zu haben. Etwa, dass es bei den vielen Gigatonnen CO2 die in den Kohlekraftwerken anfallen in 50 Jahren das gesamte Norddeutsche Tiefland mit CO2 vollgepumpt sein dürfte. Das CO2 des bis 2011 geplanten Demonstrationkraftwerks Jänschwalde sollten im Oderbruch unter die Erde kommen. „Können sie sich vorstellen, dass unter diesem Acker CO2 gelagert werden soll“, fragt fassungslos eine ältere Frau aus der Region. Da geht der Hinweis des damaligen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel (SPD) leicht unter, dass bei dem ambitionierten Ziel von 40 Prozent Energie aus Erneuerbaren Energien noch eine Lücke von 60 Prozent bleibt. „Wir sind der Wurm am Hintern des Vatenfall-Dinosauriers“, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Ulf-Michael Stumpe. „Und es juckt, und es juckt.“ Dass Vattenfall Ende 2011 seinen Ausstieg aus dem CCS-Vorhaben Jänschwalde bekannt gab, hatten die Bürgerinitiative als Teilerfolg gewertet. Doch Brandenburg will laut eines Regierungspapiers weiter an der Braunkohle festhalten – wenn auch das anfallende CO2 nicht in Brandenburgs eingelagert werden soll. Für die Braunkohle sollen in der Lausitz weitere Dörfer weichen. Die Bürger in den betroffenen Regionen haben Angst, Angst vor Versalzung des Trinkwassers, Angst vor dem Ausströmen des Gases, das andernorts auch schon mal zum Ersticken von Tausenden Menschen und Tieren geführt hat, andere Menschen in der Lausitz haben Angst vor den Baggern, die ihre Dörfer abreißen sollen. Sie reden vom „Brunnen vergiften“, von ihrer Heimat, die sie schützen wollen. Auf die Frage, ob er weiß warum die Anwohner sich eigentlich so betroffen fühlen, fällt einem Vatenfall-Mitarbeiter in langen Filmminuten nichts ein: „Ich kann’s gar nicht beantworten. Ich hab’ mir ehrlich gesagt noch nie einen Kopf darüber gemacht.“ Ein Kollege von ihm spricht immerhin von Glaubwürdigkeit, die nötig sei um die Bewohner der Regionen zu überzeugen. Dass es wichtig ist, „dass das was wir sagen, mit dem was wir machen auch hundertprozentig passt“. Vattenfall war an die Potsdamer Filmhochschule HFF herangetreten, ob es Interesse an der Produktion eines Imagefilms zum Thema CCS gäbe. Anlass sei das “Akzeptanzproblem”, dass das Unternehmen in der Region Beeskow und Neutrebbin mit seinem Erkundungsvorhaben für das CCS-Projekt habe, so die Studentin. Die Anfrage sei in der Hochschule auf erheblichen Widerstand gestoßen: „Es entstand eine Kontroverse, welche Form der Unternehmens-Kooperation generell an der Hochschule stattfinden darf.“ „Ich hatte von Anbeginn eine sehr kritische Haltung dem Thema CCS und dem Konzern Vattenfall gegenüber“, erzählt die Studentin. „Mich hat der Kooperationsvorschlag Vattenfalls insbesondere in Hinblick auf die Greenwashing-Strategien dieses Konzerns in Zeiten eines berechtigterweise erhöhten Image- und Glaubwürdigkeitsproblems interessiert.“ Das Filmteam um Johanna Ickert habe Vattenfall vorgeschlagen, einen Dokumentarfilm zu realisieren, der beide Seiten gleichermaßen porträtiere und frei von Einflüssen des Konzerns entsteht. „Grundvoraussetzung für das Filmprojekt war, dass es keine Form der Abnahme oder Zensur gibt.“ Das sei auch deshalb unabdingbar gewesen, weil man sonst nicht mit den Bürgerrechtlern in Kontakt hätten treten können. „Wir hätten aber auch nie in solcher Vertrautheit mit den Vattenfall-Mitarbeitern sprechen können, wäre nicht diese Art der ,Kooperation’ entstanden“, so das Fazit der Studentin. Dass der Film bewusst auf Namensnennung der sprechenden Personen verzichtet, ist für einen Dokumentarfilm ungewöhnlich. Johanna Ickert wollte die Menschen ohne ihre Funktion für sich sprechen lassen, was auch funktioniert. Schwierig dürfte es nur werden, wenn politische Aussagen aus dem Film nun bestimmten Institutionen zugeschrieben werden. „Energieland“ am 12. Januar im Filmmuseum Potsdam (18 Uhr), im Anschluss Diskussion mit Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack, Umwelt- und Kulturpolitikerin Monika Griefahn, Wolfgang Rolland von Vattenfall sowie Ulf-Michael Stumpe von der Bürgerinitiative.
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